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PFISTER

Pfister trat vors Haus. Er wurde jetzt berühmt. Die Sonne schien ihm auf die Füsse, die in gefütterten Lederpantoffeln steckten. Um elf wollten sie kommen. Noch zwei Stunden blieben. Heidi machte Frühstück, geputzt hatte sie gestern schon. Die Zeitung lag im Briefkasten, drei Meter weg. Pfister blieb noch eine Weile stehen, liess der Zeitung Zeit, genoss lieber den Morgen, einen Frühlingsmorgen mit Vögeln und allem Drum und Dran. Zwei Meter neben dem Briefkasten, da würden sie den Wagen hinstellen, um elf. Pfister würde öffnen, vielleicht auch Heidi, und draussen stände dann ein netter Herr, begleitet von einer netten jungen Frau und einem weiteren netten Herrn, der, ein wenig stiller als die andern zwei, die Kamera tragen würde.

Pfister überlegte, ob er zur Vorbereitung ausnahmsweise schon morgens einen Schluck Alkohol zu sich nehmen sollte. Nein, dachte er sich erst, aber ja, wenn noch ein Rest Weisswein im Kühlschrank stehen sollte. Vielleicht könnte er zur eigenen Ablenkung etwas am Volvo herumbasteln und sich dann überraschen lassen, um elf, wenn sie dann kämen. Das wäre ganz nett, Pfister unter dem Volvo. Aber unter dem Volvo war alles in Ordnung. Oder die Garage aufräumen und dann mit einem schmierigen Handtuch daraus heraustreten, schliesslich hörte er sie ja sowieso anhalten und parkieren, und dann noch unter dem Wagen warten als wäre nichts, diesen Selbstbetrug, diese Schauspielerei, das traute er sich noch nicht zu.

Pfister vergass die Zeitung, machte rechtsumkehrt ins Haus zurück. Heidi hatte übertrieben aufgeräumt, alle Heimeligkeit und Lässigkeit war weggeputzt. Es roch nach Kaffee. Heidi war stolz auf ihren Pfister, sie strahlte in der Küche vor sich hin, freute sich über das Morgenlicht auf dem eben erst gefüllten Toaster und stellte sich ihre Hingabe nochmals vor, die sie sich vor einer halben Stunde gegönnt hatte, auf ihrem Pfister hockend. Da schlarpte er in die Küche und fasste sie leider nicht von hinten an, ein untrügliches Zeichen, dass er mit dem Erfolg haderte. Heidi war schneller, vifer und fürsorglicher als je. Wortlos, mit Händen voll Wärme drehte sie sich um, nahm es hin, vor einem Pantoffelhelden zu stehen, und gab ihm, was er brauchte an Lächeln und warmer kleiner Hand im Nacken.

Pfister liess sich kraulen, genoss es, stellte aber fest, dass sie wieder von ihm abliess, was ihn erstaunte und im Ungewissen liess über ihre Absichten, offenbar war sie glücklich. Er wollte es ihr nicht nehmen und beteiligte sich daran, lächelte kurz vor sich hin, zur Lockerung, warf einen interessierten Blick in den Toaster, schaute ihr zu beim Eierwasseraufsetzen. Das war genug. Er lächelte nochmals, ganz kurz, diesmal für sie, nahm geschwind die Brötchen, Teller und Besteck zur Hand und eilte damit weg zum Esstisch.

Pfister wurde ungeheuer. Knapp konnte er noch den ganzen Frühstücksplunder auf dem Tisch absetzen. Er wurde jetzt berühmt, berühmt, kein Pfister mehr, ein anderer, er war jetzt der Pfister, jener Pfister mit dem bestimmten Artikel. Er hatte sich eine elende Sinnkrise eingehandelt, alles sah anders aus, die Welt verschob sich wie eine Theaterkulisse. Pfister überlegte sich die Flucht, flüchten mit dem Volvo? Mit Heidi? Der Fernsehequipe? Wohin?

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